In den letzten zehn Jahren hat sich die Welt des Scoutings und der Spielerentwicklung radikal verändert. Während früher das Bauchgefühl eines erfahrenen Scouts den Ausschlag gab, dominieren heute Daten, Algorithmen und Analysen die Entscheidungsfindung. Diese Entwicklung hat nicht nur die Art und Weise verändert, wie Talente entdeckt werden, sondern auch, wie Spieler entwickelt und in den Markt eingeführt werden. Doch hat die datengetriebene Revolution das Oldschool-Scouting tatsächlich verdrängt – oder können beide Ansätze voneinander profitieren?
Oldschool-Scouting: Die Kunst des Entdeckens
Der traditionelle Scout war lange Zeit das Herzstück des Spielertransfers. Ausgerüstet mit Notizblock und jahrelanger Erfahrung bereiste er abgelegene Plätze, um unentdeckte Talente zu finden. Ein Paradebeispiel für den Erfolg dieses Ansatzes ist N’Golo Kanté. Der spätere Weltmeister wurde von Leicester Citys Scouts bei SM Caen entdeckt, als kaum jemand auf ihn aufmerksam war. Für eine Ablösesumme von rund 8 Millionen Euro verpflichtet, wurde er ein Schlüsselspieler und später für 35 Millionen Euro an Chelsea verkauft – ein klassischer Coup des Oldschool-Scoutings.
Auch der Erfolg von Eintracht Frankfurt in den letzten Jahren ist eng mit einem solchen Ansatz verknüpft. Ben Manga, ehemaliger Chefscout der Hessen, bewies ein untrügliches Gespür für unentdeckte Talente. Spieler wie Luka Jović, Sébastien Haller und Filip Kostić wurden für vergleichsweise geringe Summen verpflichtet und später für ein Vielfaches verkauft. Der wohl größte Coup gelang jedoch mit Randal Kolo Muani: Der französische Stürmer wurde 2022 ablösefrei vom FC Nantes verpflichtet und entwickelte sich in kürzester Zeit zu einem der begehrtesten Angreifer Europas. 2023 wechselte er für die Rekordsumme von 95 Millionen Euro zu Paris Saint-Germain.
Die Datenrevolution: Algorithmen und Analytics
Parallel zu diesen Erfolgen hat sich die datengetriebene Analyse als neuer Standard etabliert. Clubs wie Brentford und Brighton gelten heute als Vorreiter eines datengetriebenen Ansatzes, bei dem Algorithmen und statistische Modelle eine zentrale Rolle spielen. Der Besitzer von Brentford, Matthew Benham, ein ehemaliger Mathematiker, setzt seit Jahren auf den sogenannten “Moneyball-Ansatz”. Brentford, ein Club mit begrenzten finanziellen Mitteln, hat durch datenbasiertes Scouting Spieler wie Ollie Watkins und Neal Maupay entdeckt, die später für hohe Summen verkauft wurden.
Die Analysen gehen dabei weit über einfache Statistiken hinaus. Systeme wie „Wyscout“ oder „Instat“ sammeln Daten zu Millionen von Ballaktionen, Laufwegen und Passmustern. Algorithmen können Muster erkennen, die dem menschlichen Auge verborgen bleiben. So wurde beispielsweise Billy Beane, der Begründer des Moneyball-Ansatzes im Baseball, auch im Fußball ein Berater für den datengetriebenen Entscheidungsprozess.
Ein prominentes Beispiel aus der Bundesliga ist RB Leipzig. Der Verein nutzt datenbasierte Modelle, um Spieler zu identifizieren, die in das spezifische Spielsystem des Clubs passen. So wurde Naby Keïta 2016 für rund 15 Millionen Euro aus Salzburg geholt und zwei Jahre später für 60 Millionen Euro an Liverpool verkauft.
Oldschool versus Daten: Wer hat die Nase vorn?
Die Frage, ob Datenanalysen das Oldschool-Scouting verdrängt haben, lässt sich nicht einfach beantworten. Während datenbasierte Systeme effizient große Mengen an Spielern analysieren können, fehlt ihnen die menschliche Komponente – das Bauchgefühl, das subtile Beobachtungen berücksichtigt, die nicht in Zahlen zu fassen sind. Ein Beispiel ist die mentale Stärke eines Spielers, die oft erst in Gesprächen oder durch wiederholte Beobachtungen erkennbar wird.
Die Zukunft des Scoutings und der Spielerentwicklung
Das Zusammenspiel von Mensch und Maschine wird das Scouting weiter prägen. Die besten Clubs setzen auf ein Modell, das datengetriebene Analysen mit dem Auge und der Erfahrung von Scouts kombiniert. Spieler wie Erling Haaland, der von Salzburg entdeckt und zu einem Weltstar entwickelt wurde, zeigen, dass es auf die richtige Balance ankommt.
Kostenstruktur im Scouting: Datenscouting vs. Oldschool Scouting im Profifußball
Die Scoutingabteilung ist mit das wichtigste Organ eines Fußballvereins und somit einer der wichtigsten Investitionen in einem Verein, gerade wenn es darum geht, sportliche und wirtschaftlichen Erfolg langfristig zu sichern. Doch was sind die eigentlichen Kosten des Scoutings eines Bundesligisten, und wie unterscheiden sich die Aufwendungen zwischen dem traditionellen Oldschool-Scouting und modernem Datenscouting?
Oldschool-Scouting: Hoher Personalaufwand, intensiver Vor-Ort-Präsenz
Oldschool-Scouting basiert auf einer hohen Anzahl an Scouts von ca. 10-15 Scouts, die regelmäßig Spiele vor Ort beobachtet. Kosten bei einem Bundesligist belaufen sich auf ca. 1,5 bis 2,5 Millionen Euro jährlich für ein traditionelles Scouting.
Datenscouting: Technologie und Expertise im Fokus
Datenscouting setzt auf dein Einsatz moderner Technologien und weniger Scouts vor Ort. Das Setup hierfür ist stark Softwaregetrieben durch Tools wie Wyscout, Impact, Scout7 oder StatsBomb bieten hier Zugang zu umfassenden Datenbanken und Analysemodellen. Manche Klubs nutzen auch KI-gestützte Analysetools, die zusätzliche Entwicklungs- oder Lizenzkosten verursachen können. Kosten je nach Plattform belaufen sich auf rund 50.000 bis 150.000€ pro Jahr.
Fazit: Zwischen Tradition und Innovation
Der Fußball befindet sich in einer spannenden Phase, in der Tradition und Innovation aufeinandertreffen. Daten und Algorithmen haben zweifellos das Potenzial, die Effizienz im Scouting zu steigern und unentdeckte Talente zu identifizieren, die ansonsten übersehen würden. Dennoch bleibt der menschliche Faktor unersetzlich. Die Fähigkeit, einen Spieler ganzheitlich zu beurteilen – nicht nur anhand von Zahlen, sondern auch anhand von Persönlichkeit, Einstellung und Potenzial – bleibt die große Stärke des Oldschool-Scoutings.
Erfolgreiche Clubs wie Eintracht Frankfurt zeigen, dass die Symbiose aus beiden Ansätzen der Schlüssel zum Erfolg ist. Die Zukunft des Scoutings liegt nicht in einem Entweder-oder, sondern in einem Sowohl-als-auch. Denn am Ende entscheidet nicht nur die Datenbank, sondern auch das feine Gespür für das Besondere – und das wird immer einen Platz im Fußball haben.